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News: Die sieben Todsuenden in Fontenay-sous-Bois

received May 12, 2004, from Alex Jordan, Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee (DE)
français, english


UEBER DAS FESTIVAL "GRAPHIK IN DER STRASSE" IN FONTENAY-SOUS-BOIS, FRANKREICH.

Seit 16 Jahren offeriert die Stadt Fontenay-im-Unterholz im Sueden von Paris Kuenstlern aller Disziplinen und aller Nationalitaeten oeffentliche Freiraeume. 1992 wurde diese Initiative um die Einladung an die franzoesische Grafikerwelt erweitert. Seither entstanden jaehrlich grossformatige Plakate zum Thema Stadt, die auf den staedtischen Anschlagtafeln angebracht wurden.

Seit diesem Jahr wendet "Grafik auf der Strasse" sich an die europaeischen Kunst- und Designhochschulen. Den Anfang macht die Kunsthochschule Berlin-Weissensee. Die vorgegebene Thematik ist das menschliche Miteinander in den Staedten. Eine neue "Bewertung" der sieben Todsuenden soll das Nachdenken darueber herausfordern.

Die sieben Todsuenden

  • Der Geiz, die Knauserei

  • Der Zorn, die Wut, der Aerger

  • Der Neid, die Missgunst

  • Die Schlemmerei, die Naschhaftigkeit

  • Die Hemmungslosigkeit, die Sinnlichkeit, die Wollust, die Unzucht

  • Der Stolz, der Hochmut, der Duenkel

  • Die Faulheit, die Traegheit, die Langsamkeit

(Aus deutschen Lexikas).

"Alles, was gut ist, ist entweder verboten oder macht dick"

Wir haetten natuerlich direkter betiteln koennen:" z.B: "Zusammenleben in der Stadt". Oder poetischer:"ueber die Alices in den Staedten". Oder ernsthaft: "Beziehungs-Schwierigkeiten zwischen Stadt- und Vorortbewohnern". Oder "die Erfindung der idealen Stadt". Oder: "das Glueck?" ...Wir haben uns fuer das Imbroglio der sieben Todsuenden entschieden, die im franzoesischen nur kapital sind.

La luxure, la paresse...sind Janus-Begriffe, die -genauso wie die Tugenden- seit jeher das Zusammenleben zwischen Menschen gepraegt haben. Im Guten wie im Schlechten. Zum Beispiel la paresse: in unseren hyperaktivistischen Gesellschaften ist die paresse schon fast ein Delikt. Sie sind ein Parasit, Sie ruhen sich auf dem Ruecken der Anderen aus, Ihre Nichtstuerei schadet der Gesellschaft.Andererseits wuenschen sich viele Menschen einen Zustand von paresse. Gibt es einen schoeneren Traum als den vom Paradis des absoluten und gluecklichen Nichtstun?

Unser Workshop, den wir seit zwei Jahren durchfuehren, eroeffnet das Wintersemester. Er findet in einem ehemaligen Gutshaus in Brandenburg, nicht weit von der polnischen Grenze entfernt, weit weg von den Turbulenzen der Metropole statt. Neben den Studenten des Haupstudiums der visuellen Kommunikation koennen sich, wenn noch Platz ist, auch interessierte Studenten der anderen Fachgebiete und Gaststudenten einschreiben.

Da der Workshop nur eine kurze Woche dauert,kann man nicht unbedingt perfekte graphische Loesungen verlangen. Weder von der Sinngebung her, noch von der Bewaeltigung der Formprobleme. Er ist eher eine art mentales und bildnerisches Aufwaermen und foerdert das gegenseitige sich Kennenlernen.

Die Praesentation der Projekte am letzten Tag war diesmal (2003) auch eine Art Vorjurierung. Unter den 35 mehr oder weniger auf den Punkt gebrachten Plakatvorschlaegen haben wir 15 ausgewaehlt, an denen die Studenten dann weiterarbeiteten. Gegen Ende des Semesters traf abschliessend eine aus den Organisatoren des "graphisme dans la rue", Philippe und Eveline Chat, den international bekannten Grafikern Henning Wagenbreth und Andreas Toepfer und der Meisterschuelerin Simone Wanner zusammengesetzte Jury die entgueltige Auswahl .

Im Fall von "la luxure" und "orgueil" gab es viele gute Vorschlaege. Aber von den fuer "la paresse" eingereichten Vorschlaegen konnte keiner die Jury ueberzeugen. Zuerst wurde deshalb der Vorschlag gemacht, "la paresse" auf das Papier, auf die Anschlagswaende zu uebertragen, d.h., nichts zu drucken, weisses Papier zu kleben. Die andere Moeglichkeit war, "la paresse" neu auszuschreiben. So wurde dann auch verfahren.

Alex Jordan, Matthias Gubig


Ps.: Es ist wichtig, zu erwaehnen, dass der Workshop nicht nur von den Professoren "animiert" worden ist sondern auch durch Schweizer Studenten und vor allem auch durch drei franzoesische Gaststudentinnen, die direkt aus Paris und Strassburg ins "Gutshaus" gekommen sind. Ihre Kenntnisse der Spezifizitaet der franzoesischen Verhaeltnisse -nicht nur in den Vororten- waren fuer den Realitaetsbezug des Workshop ein wichtiges "Detail".


Elftes Festival "Grafik auf der Strasse" vom 15. Juni bis 5. Juli 2004 Fontenay sous Bois, France

Vernissage Dienstag, den 15. Juni ab 18 Uhr École d'arts plastiques, 20 rue Dalayrac

Öffentliche Plakatierung in der ganzen Stadt

  Axel Watzke Avarice / Der Geiz / Greed

Simone Schoeler Colere / Der Zorn / Wrath

Dirk Dassow Envie / Der Neid / Envy

Marcella Mehrholz Gourmandise / Die Voellerei / Gluttony

Ute Radler Luxure / Die Wollust / Lust

Camille Gallet / Cérise Lichtle Orgeuil / Der Duenkel / Pride

Alexander Fuchs Paresse / Die Faulheit / Sloth


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