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Das Gutenberg Museum zeigt vom 6. Mai bis 27. Juni 2010 die exklusive Ausstellung So nicht! Umstrittene Plakate in der Schweiz 1883 - 2009.
Diese Ausstellung basiert auf dem gleichnamigen Buch "So nicht! Umstrittene Plakate in der Schweiz 1883 - 2009" von Rolf Thalmann, welches Ende 2009 im Verlag hier+jetzt, Baden erschienen ist. Sie zeigt über 60 umstrittene Plakate, welche allerdings nicht den Anspruch auf Vollständigkeit hat.
Fragt man nach umstrittenen Plakaten, fallen immer wieder die gleichen Beispiele: Benetton, Stop Aids, Sloggi, Rifle und immer wieder die SVP-Plakate. Sie alle finden sich natürlich in der Ausstellung. Umstrittene und verbotene Plakate sind aber nicht ein Phänomen der letzten Jahre, schon 1883 sorgte ein Plakat in der Schweiz für Ärger. Sie führt durch über 100 Jahre Geschichte der Plakatwerbung und lässt erahnen, welche Moral, Mentalität und visuelle Kultur in der jeweiligen Epoche geherrscht haben.
Plakatwerbung ist wohl eine der ältesten Formen von Werbung. Sie eignet sich insbesondere, um kurze und einfache Botschaften zu vermitteln. Damit diese Werbebotschaften aber bei den Empfängern ankommen, muss das Plakat zuerst Aufmerksamkeit erhalten - Aufsehen erregen. So wird hin- und wieder ein Plakat bewusst so gestaltet, dass es provoziert, auch wenn die Auftraggeber dies nicht immer gerne zugeben.
Nackte Damen stossen nicht auf Begeisterung
Weibliche Figuren sind seit über 100 Jahren ein beliebtes "Accessoire" auf Plakaten. Für Aufsehen sorgte dabei jeweils die Nacktheit der Damen. Aber auch nackte Herren stiessen nicht nur auf Begeisterung. Da spielte die künstlerische Qualität eines Aktes, wie derjenige von Karl Bickel aus dem Jahre 1932 keine Rolle. Das Plakat wurde in den Städten Basel und St.Gallen verboten, da es "die Schuljugend gefährde". Noch 1974 musste eine sichtbare Brust mit einem Stern überklebt werden. In den 1980er löste Peter Marti für die Gestaltung mehrere Plakate mit nacktem Po grösste Resonanz aus, von begeisterter Zustimmung bis zum Verbot der Plakate. In den letzten Jahren erhoben die Damen vor allem gegen sexistische Plakate ihre Stimme, da sie Frauen auf Plakate indirekt als käuflich darstellen.
Über grafische Gestaltung lässt sich streiten
Während Plakate aus politischen, religiösen oder ethischen Gründen ganze Bevölkerungsschichten bewegen, sind es bei den ästhetischen Gründen oft Einzelpersonen - wobei darunter auch Journalisten fallen. Während den einen das Plakat gefällt, finden es wiederum andere geschmacklos, unerwünscht, wirkungslos oder auch sinnlos. So fiel das älteste Plakat der Ausstellung, das Plakat von Albert Lüthi für die Landesausstellung 1883 wegen seiner als antiquiert befundenen grafischen Gestaltung in Ungnade. Manchmal ist der Streit um ein Plakat auch schwer nachvollziehbar, da die Kritik auch von der Epoche abhängt, in der es ausgehängt wurde.
Verbotene Plakate
Sehr selten wurden Plakate aus juristischen Gründen verboten, oft im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsschutz. In diesem Fall wird mit Personen geworben, deren Einverständnis vorher nicht eingeholt wurde. Auch Firmen klagten schon wegen der Verletzung von Rechten. So klagte 1994 die Fastfoodkette McDonald's gegen Tonilait, weil dieser den Begriff Mc für eines seiner Produkte einsetzte. Bei der Eptinger-Werbung aus dem Jahre 1947 ging es um Geschäftsschädigung. Die Wirte fürchteten durch den Slogan "Trink lieber Eptinger!" einen Rückgang des Alkoholumsatzes. 1990 wurde das Plakat erneut aufgehängt, diesmal ohne Reaktionen.
Politische Plakate erhitzen die Gemüter
Bis 1990 wurden insgesamt 10 Plakate aus politischen Gründen verboten und alle stammten von linker Seite. Kein einziges stammte von den Bürgerlichen. Dies änderte sich, als die Schweizerische Volkspartei (SVP) begann, die Gemüter politisch Interessierter zu erhitzen. Die Plakate wurden immer drastischer, so dass sie in den Medien mehr Aufmerksamkeit erzielten, als mit dem Aushang selbst. Auf den Plakaten wimmelt es nur so von gezeichneten Tieren: Schafe, Raben, Ratten, Hühner. Bis vor kurzem war das wohl umstrittenste politische Plakat dasjenige zur Ausschaffungsinitiative mit dem schwarzen Schaf. Ende 2009 löste aber das Anti-Minarett-Plakat weltweit einen Riesenwirbel aus und bescherte der Schweiz sogar von der Uno-Menschenrechts-Kommission einen Rüffel.
Benetton und der Zürcher Toscani provozieren
Die ersten Plakate der Textilfirma Benetton und dem Zürcher Fotografen Oliviero Toscani waren harmlos. Sie zeigten ab 1984 nicht nur weisse, sondern auch schwarze, braune und gelbe Menschen. Dann entfernten sie sich immer mehr von der der Mode, wie das Plakat mit dem Neugeborenen zeigt. Es wurde von der Stadt Zürich verboten, weil sie es geschmacklos fand. Ab 1993 wurden sie richtig provozierend: ein sterbender Aidskranker, ein überladenes Flüchtlingsschiff, die blutige Uniform eines getöteten Soldaten oder zum Tode verurteilte Amerikaner. Benetton und Toscani betonten bis zu ihrer Trennung im Jahr 2000 mehrmals, es ginge ihnen nicht um provokante Werbung, sondern darum, auf Zeitfragen aufmerksam zu machen.
Christen sind sensibel
Blasphemische Plakate sind selten und landeten somit auch selten vor Gericht. Unerwünscht war aber die Abwandlung religiöser Bilder, wie der Missbrauch von Leonardos "Abendmahl" für Küchengeräte-Werbung. Andere, wie "Hakle…luja" in Verbindung mit einem nackten Hinterteil verleitete einen katholischen Priester sogar zum Reimen: "Paulus zu den Korinthern: Nehmt Hakle feucht für den H….". Aktuell muss im Gegenzug die katholische Kirche ihre Imagekampagne "Mehr Good News" überarbeiten, weil sie in der Kritik der sexuellen Übergriffe der Priester steht. Trotzdem kann sie im Gutenberg Museum entdeckt werden.
Die Stop-Aids-Kampagnen hingegen riefen immer wieder Christen auf den Plan, obwohl diese mit einer Ausnahme keine (anti-)religiösen Elemente enthielten. In Zug wurde im vergangenen Jahr ein Plakat der Freidenker verboten, gerade weil es antireligiös ist.
Viele Plakate stammen aus der Basler Plakatsammlung
Die gezeigten Plakate stammen zu einem grossen Teil aus der Basler Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, welcher sie uns als Leihgaben zur Verfügung stellt. Andere Plakate stammen von den Werbeagenturen, welche die Plakate gestalteten und weitere direkt von den jeweiligen Auftraggebern, wie bei Pro Infirmis.
Für Auskünfte und weitere Informationen:
Dominique Chappuis Waeber, Direktorin Gutenberg Museum, Tel. 026 347 38 28, info@gutenbergmuseum.ch, www.gutenbergmuseum.ch
Öffnungszeiten des Museums:
Mittwoch, Freitag, Samstag 11.00 - 18.00 Uhr
Donnerstag 11.00 - 20.00 Uhr
Sonntag 10.00 - 17.00 Uhr
Montag, Dienstag geschlossen
Weitere Bilder der Ausstellung:
www.gutenbergmuseum.ch
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